News
Ein seltener Blick hoch hinaus ins „Hohe Haus“ der Veste Coburg

Welcher Coburger kennt sie nicht – die Veste Coburg. Ein „massives“ Wahrzeichen unserer Stadt. Aber wer kennt sie auch genauer? Studierende der Architektur und des Bauingenieurwesens der Hochschule Coburg hatten vergangene Woche eine die Möglichkeit, die Holzkonstruktion eines Dachstuhls der Veste unter die Lupe zu nehmen – einen Ort, den selbst die eingesessen Coburger wohl selten zu Gesicht bekommen. Zusammen mit Jonas Schmidt (Dozent an der Fakultät Design an der Hochschule Coburg), der das Seminar „Holzbau in der Praxis“ leitet, ging es ins hoch hinaus ins „Hohe Haus“. „Immer, wenn ich hier oben bin“, so Jonas Schmidt, “finde ich es atemberaubend, mit welcher Energie unsere Vorfahren dieses Gebäude erbaut und welche Anstrengungen sie auf sich genommen haben, um alle Baumaterialien auf diesen Berg zu schaffen.“ Wohl kaum ein Coburger weiß, dass alleine der Dachstuhl des Hohen Hauses aus insgesamt vier Stockwerken besteht. Für Fachleute und Interessierte ein absolut imposanter Anblick! In der Höhe würden zwei Einfamilienhäuser darin Platz finden.
Einige Details zur mitteralterlichen Bauweise
Der mittelalterlichen Bauweise zur Folge hält diesen auch von kein einziger Metallnagel zusammen. Die Dachkonstruktion besteht im Grunde aus einem Sparrendach mit Kehlbalken als zweifach stehenden Stuhl, der sich nach oben hin als Mischkonstruktion (einfach stehender Dachstuhl sowie liegender Dachstuhl) fortsetzt. Die Besonderheit ist die sich über vier Stockwerke erhebende Tragstruktur – mit drei Kehlbalkenlagen, einer Vielzahl von Stützen, Kopfbändern und Verstrebungen. Interessant sind dabei auch die Querhölzer, die zur Unterstützung der Stuhlpfetten verwendet werden. Es sind teilweise mehrere Balken kreuzweise übereinander angeordnet. Diese tragen zur Abfangung – beispielsweise der Stuhlpfetten bei – weil die Holzquerschnitte damals begrenzt waren. Ein Zusammenleimen des Holzquerschnitts, wie wir es heute beim Brettschichtholz kennen, war damals nicht möglich. Somit mussten die Baumeister die Spannweiten der einzelnen Hölzer reduzieren und entsprechend unterstützen. Alle Verbindungen wurden zimmermannsmäßig als Zapfen, Überblattung und Verk
ämmung hergestellt. Die Aufschieblinge des Dachstuhles verlaufen über etwa drei Geschosse. Aber keine Exkursion ohne eine Aufgabe. Die bestand für die Studierenden darin, sich einen markanten Kontenpunkt aus der Dachkonstruktion zu suchen und ihn verformungsgerecht mit vorhandenen Rissen und Fehlstellen zu vermessen, zu zeichnen und zu analysieren. Ein Teilziel: lerne von den mittelalterlichen Baumeistern – den Profis ihrer Zeit.
Die mitteralterliche Bauweisen verstehen
Ziel dieser Exkursion war, sich in den Dachstuhl „einzudenken“. Als Architekt und Bauingenieur muss man sich immer in die Baumeister der betrachteten Bauwerke hineinversetzen. Warum, wie, mit welchen Hilfsmitteln und unter welchen Randbedingungen und Umständen wurde etwas so gebaut – das sind wichtige Fragen, die man sich stellen muss. Die Studierenden sollen weiter das Tragwerk und damit das Tragverhalten und den Lastfluss von „oben nach unten“ verstehen. Abschließend soll ein Detailpunkt genau analysiert werden. Damit „begreifen“ sie den gesamten Dachstuhl „vom großen zum kleinen“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Lernen von den Profis – den mitteralterlichen Baumeistern
Gemäß dem Titel des Projekts „Holzbau in der Praxis“ hatten die Studierenden bereits die Chance, ihr Wissen über Holzkonstruktionen wie Dachtragwerke, Holzhallen, Holzbrücken und Verbindungen im Holzbau zu vertiefen. Zuvor hatten sich die Studierenden bereits zum Thema Holz in einer Exkursion zusammen mit den Bayerische Staatsforsten im Rödentaler Wald näher informiert, und waren auch zu Besuch bei der Firma Firma Feyler-Holzleimbau GmbH & Co. KG in Sonnefeld. Im nächsten Schritt geht es ans eigenständige Entwerfen, Konstruieren und Berechnen eines eigenen Holztragewerks. Dieses wird auch als gesamtes Modell gebaut. Bei den dabei ausgeführten Dachausmittlungen sowie der Schiftung der einzelnen Holzbauteile Gratsparren, Kehlsparren, Schifter usw. können die Studierenden das Tragwerk am besten kennenlernen. Zusätzlich wird ein Detailpunkt, z. B. ein Stirnversatz, in Maßstab 1:1 ausgearbeitet.
Verfasser: Mario Pfeuffer, Marketing & Kommunikation, Der Coburger Weg, Hochschule Coburg. Einen herzlichen Dank für ihre Unterstützung gilt der Bayerische Schlösserverwaltung.

Blick vom 3. Geschoß nach oben bis hin zum Giebel. Zu sehen sind einige Zapfenlöcher, welche auf Umbaumaßnahmen im Laufe der Zeit hindeuten.

Jonas Schmidt begrüßt seine Exkursionsteilnehmer und erläutert kurz die wichtigsten Eckdaten des Hohen Haus.

Jonas Schmidt erläutert einigen Studierenden, woran man erkennt, welche Bauteile Zugkräfte, Druckkräfte oder beides aufnehmen können.